Joachim_Beck.jpg  Planspiele - für neues, praxisorientiertes Lernen


Gabriele Knödler-Bittner sprach mit Herrn Joachim Beck, dem Geschäftsführer von getoq, der maßgeblich an der Entwicklung von proactivity® beteiligt war über neue Wege des Erfahrungslernens, die Ziele von projactivity und wie Teilnehmer im Seminar auch voneinander lernen.

GKB: Herr Beck, Sie und Ihre Mitarbeiter beraten seit 25 Jahren Unternehmen bei Change-Prozessen, im Projektmanagement und bei Teamentwicklung. Außerdem bieten Sie Trainings zu diesen Themen an. Mit projactivity gehen Sie einen neuen, innovativen Weg, Menschen die Aufgaben und Herausforderungen im Projektmanagement näher zu bringen und ihnen Lösungskompetenz zu vermitteln. Wie sind Sie auf die Idee gekommen? Und warum gerade für Projektmanagement?

JB: In Projektmanagement-Trainings geht es immer darum, Menschen aus Unternehmen in relativ kurzer Zeit Wissen über komplexe Zusammenhänge zu vermitteln. Das gelingt einfach am besten, wenn die Lernsituation der Realität möglichst nahe kommt. Es muss also ein Szenario abgebildet werden, das den Projektalltag authentisch widerspiegelt. Wie in der Realität werden die Teilnehmer in projactivity-Seminaren mit Situationen konfrontiert, die ihnen Entscheidungen abverlangen. Sie wenden direkt an, was sie zuvor in kleinen Theorieblöcken gelernt haben. Durch diesen Transfer in die Praxis „sitzt“ das erworbene Wissen nicht nur nachhaltiger. Die Teilnehmer machen auch Erfahrungen, die sich im wahren Projektleben bezahlt machen. Zum Beispiel, indem sie erleben, was passiert, wenn sie in einer Situation die falsche Maßnahme ergreifen.
GKB: Was ist das Besondere an projactivity?

JB: Es ist zum einen die Methode. Man lernt auf mehreren Kanälen gleichzeitig: auditiv, visuell und vor allem haptisch. projactivity ist eine Boardsimulation, bei der die Teilnehmer im Gegensatz zum E-Learning den gesamten Projektverlauf ständig im Blick haben. Eine weitere Besonderheit ist, dass das zu bearbeitende Projekt keiner Branche zuzuordnen ist. Es ist sozusagen neutral, nichts aus der Bau- oder Fahrzeugindustrie, zum Beispiel. Viele Teilnehmer sind dadurch im ersten Moment irritiert. Aber dann kommen sie sehr schnell auf einen gemeinsamen Nenner. Mit dem Vorteil, dass sie sich nicht in Diskussionen über Details verlieren, sondern sie kommunizieren ausschließlich in der Sprache des Projektmanagements.

GKB: Wie entwickelt man ein Planspiel/eine derartige Simulation – und wie viel Aufwand steckt dahinter?

JB: Ein erheblicher. Wir haben vor über zehn Jahren begonnen, projactivity zu entwickeln. Bis zur ersten Pilotierung des Tools vergingen alleine drei Jahre. Heute liegt die Simulation in einer sehr ausgereiften Version vor, mit der wir schon Tausende Seminarteilnehmer erfolgreich geschult haben. Dennoch haben wir sie erst gerade wieder komplett überarbeitet, um die Lerneffekte noch mehr zu optimieren und das Tool zum Beispiel auch im Design aufzufrischen.

Die Entwicklung von Planspielen setzt viel Kreativität und Einfühlungsvermögen in die Perspektive der Rezipienten voraus. Gleichzeitig muss man sehr akribisch vorgehen, denn in der Anwendung zieht jeder vorgenommene Schritt Konsequenzen nach sich, die natürlich einen logischen Zusammenhang ergeben müssen.

GKB: Warum haben Sie als Format ein Boardspiel gewählt und nicht wie heute „in“  eine Computersimulation?

JB: Um den Teilnehmern an unseren Seminaren ein Lernevent zu bieten, das ihnen nachhaltig in Erinnerung bleibt. Ein Projekt im Team zu bearbeiten bedeutet, sich mit seinem Gegenüber auseinandersetzen zu müssen und letztendlich auch mit sich selbst. Kommunikation und Transparenz sind ein wesentlicher Faktor für den Erfolg von Projekten. Und genau das spiegeln wir in der Simulation wider. Darüber hinaus war es uns wichtig, mit einem haptischen Lerninstrument zu trainieren. Wissen festigt sich, wie gesagt, viel nachhaltiger, wenn es über mehrere Kanäle vermittelt wird.

GKB: Ich höre schon die Skeptiker – Projektmanagement ist doch kein Spiel, die Komplexität eines Projekts lässt sich doch nicht in einer Simulation erlernen! Was sagen Sie denen?

JB: Teilnehmer an unseren Seminaren merken sehr schnell, dass projactivity alles andere als ein Spiel ist. Es mag zwar auf den ersten Blick so scheinen, aber die didaktischen Elemente sind so vielschichtig, dass alles zusammen ein sehr ernst zu nehmendes, intensives Lernerlebnis darstellt. Nichtsdestotrotz nutzen wir den natürlichen Spieltrieb der Teilnehmer, zum Beispiel, indem wir die Teams im Wettbewerb miteinander arbeiten lassen. Lernen fällt viel leichter, wenn es kurzweilig ist und Spaß macht. Nicht umsonst reden viele Anbieter heute von Gamification.

GKB: Für welche Fragestellungen und für welche Kunden bzw. Zielgruppe eignet sich projactivity?

JB: Wir haben projactivity schon in einer Kurzversion auf Projektleitertagungen durchgeführt und waren erstaunt, mit wie viel Leidenschaft die Beteiligten ans Werk gingen. Alles gestandene Senior Project Manager, die auf einmal völlig vertieft ihrer Aufgabe nachgingen. Aber projactivity setzt bei „alten Hasen“ grundsätzlich andere Prozesse in Gang als bei jüngeren Projektleitern: Da steht vor allem der Reflexionsgedanke im Vordergrund. Ansonsten ist projactivity beispielsweise ideal für Projektteams, die neu zusammengestellt werden, etwa um eine einheitliche Projektkultur herzustellen. Und natürlich für unsere Hauptzielgruppe, Projektleiter, die ihre Kompetenz vertiefen möchten.

GKB: Und wo stößt diese Art der Wissensvermittlung an ihre Grenzen?

JB: projactivity ist ein reines Ausbildungstool. Es vermittelt sehr anschaulich die Gesamtzusammenhänge des Projektmanagements. Es eignet sich jedoch nicht als Planungstool oder zur Organisation realer Projekte. Die Wissensvermittlung findet sozusagen auf einer übergeordneten Ebene statt.

GKB: Sie bieten die projactivity-Seminare ja sowohl als offene Seminare an als auch inhouse für Mitarbeiter eines Unternehmens. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, wenn Kollegen und Projektteams projactivity miteinander spielen? Lassen sich dabei auch „echte“ Situationen abbilden bzw. kann es zum Beispiel dabei auch zu Konflikten kommen, die die Mitarbeiter aus realen Projekten mit hereintragen? Wie gehen die Trainer dann damit um?

JB: Natürlich braucht die Simulation einen erfahrenen Trainer, der in der Lage ist, Konflikte in einem Team zu lösen. projactivity ist ja nur ein Instrument zur Wissensvermittlung. Dass ein Seminar am Ende von allen positiv bewertet wird, liegt immer auch an der Persönlichkeit des Trainers. Ist er routiniert genug, um aufkommende Konflikte zu lösen? Motiviert er die Teilnehmer, auch wenn sie Kostenvorgaben nicht schaffen oder die Deadline sprengen? Im Gegensatz zu Lernsoftware ist projactivity einfach „menschlich“. Schließlich hängt der Erfolg in Projekten auch davon ab, wie gut die Menschen miteinander arbeiten.

GKB: Und im Falle von offenen Seminaren – wie funktioniert projactivity, wenn Teilnehmer aus unterschiedlichen Branchen und mit unterschiedlichen Erfahrungen zusammen spielen?

JB: Sie profitieren voneinander. In Bremen laden wir neben gestandenen Projektleitern zum Beispiel oft Studenten zu unseren Seminaren ein. Es ist wirklich erstaunlich, wie viel Interesse die unterschiedlichen Teilnehmerkreise füreinander bekunden. Als seien sie froh, die Dinge einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten zu können. Aber auch das ist ein willkommener Effekt des Arbeitens in kleinen Teams, dass man seine eigene, manchmal eingefahrene Sichtweise erweitert.

GKB: Welche Möglichkeiten gibt es zum Beispiel für Personaler, projactivity kennenzulernen, um zu entscheiden, ob das sinnvoll in deren Unternehmen einsetzbar ist, ohne gleich ein 2-tägiges Seminar zu buchen?

JB: Verschiedenste Möglichkeiten. Wir richten uns da ganz nach den Wünschen der Interessenten. Manchmal kommt ein Verantwortlicher zu uns in die Firma und wir geben ihm eine kurze Einführung, wie das Tool funktioniert. Oder wir fahren zu ihm ins Unternehmen und zeigen die wesentlichen Elemente des Trainings auf. Wir präsentieren projactivity auch auf Messen oder auf Treffen von Regionalgruppen, die sich mit Projektmanagement auseinandersetzen. Heute, in Zeiten des aggressiven Marketings, haben viele Kunden die Sorge, dass ein Anbieter sie sozusagen nicht mehr aus den Fängen lässt, wenn sie erst einmal Interesse an seiner Leistung bekundet haben. So sind wir nicht. Wir möchten, dass Kunden von unserer Methode überzeugt sind und nicht davon, wie gut wir sie verkaufen können.

GKB: Mit welchen weiteren Lernangeboten unterstützen Sie Ihre Kunden noch?

JB: Wir haben Simulationen für verschiedenste Bereiche entwickelt, beispielsweise zum Thema Führung, Vertrieb oder, wie kürzlich erst, zur Informationssicherheit. Immer wenn es darum geht, Mitarbeitern komplizierte Unternehmensprozesse auf anschauliche Weise deutlich zu machen, werden wir kreativ und entwickeln für die jeweilige Situation das passende Lernmedium. Eine weitere Kernkompetenz, mit der wir seit 25 Jahren am Markt sind, ist aber neben dem Projektmanagement nach wie vor das Trainieren von Führungskräften.

GKB: Und ganz zum Schluss – Getoq – das ist ein sehr ungewöhnlicher Name – steckt da eine besondere Bedeutung dahinter?

JB: Die Abkürzung stammt aus der Gründungszeit unserer Firma und bedeutet „Gesellschaft für Technikgestaltung, Organisationsentwicklung und Qualifikationsmanagement“. Da sich das aber nie jemand wirklich merken konnte, nicht einmal unsere langjährigsten Mitarbeiter, haben wir daraus einfach den Eigennamen Getoq gemacht.

GKB: Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg mit projactivity.